|
Kunde:
Rasch & Röhring Verlag
Text: Buch „the ultimate guide to the island Manhattan“
Textauszug
Von
Battery nach Liberty
Das Vertrackte
an Manhattan: Die Attraktionen scheinen stets näher zu
sein, als sie sind. „Das ist doch gleich da hinten,
da gehen wir zu Fuß.“ Solche beinbelastenden Entscheidungen
trafen wir immer wieder und sicher sind wir in einer Woche
noch nie soviel geschritten, gewackelt, geschlichen wie in
diesen Tagen. Diesmal allerdings war die Entscheidung vertretbar,
denn vom World Trade Center bis zum Battery Park sind es wirklich
nur wenige hundert Meter. Und eines muss natürlich auch
festgehalten werden: Nur per pedes ist man nah genug dran
und langsam genug, um auf Unverhofftes spontan und dicht reagieren
zu können. Im Nachhinein also die Erkenntnis: Es war
all die Strapazen wert!
Battery Park, ein bisschen Grün, umrahmt von den Dollartürmen
ums WTC und die Wall Street, ist ein unverzichtbares touristisches
Muss, denn hier legt jede halbe Stunde das Boot zur Freiheitsstatue
ab und an. Wir hatten mal wieder Glück, denn die letzte
Fähre (16.30 Uhr) hatte gerade noch Platz für uns
und so können wir heute doch tatsächlich das angestrebte
Mammutprogramm durchziehen.
Sie hat schon was, die große Französin auf der
kleinen Insel. Von Minute zu Minute gewinnt sie an Größe
und Bedeutung und spätestens wenn das Boot zur Landung
am nostalgischen Holzsteg anlegt, hat sie jeden halbwegs gefühlsbewegten
Touristen in ihrem Bann. Was für ein Motiv, von vorne,
von hinten, steil nach oben! Details vom Innern, Blick nach
draußen. Der Kiosk, der die sattsam bekannten Celluloid-Rollen
vertreibt, hat Hochkonjunktur.
Wenn Sie etwas Zeit mitgebracht haben (dann allerdings bitte
nicht auf die letzte Fähre setzen), ist das Besteigen
unverzichtbar, wenn auch ein wenig mühsam. Wir waren
- wie erwähnt - in Zeitnot und haben uns deshalb auf
folgende Lösung geeinigt: Einer besteigt die Schöne
von innen, der andere macht sich bei den übrigen touristischen
Highlights schlau. Und so können wir Ihnen nicht nur
berichten, dass die Statue of Liberty tatsächlich so
„fantastic“ ist, wie alle anderen auch schon behauptet
haben, sondern auch, dass Sie im Einwanderungs-Computer (im
Sockel) eruieren können, ob und wenn ja welcher Ihrer
Vorfahren nach Amerika ausgewandert ist bzw. wo (wenn überhaupt)
die Familie heute wohnt (und manchmal sogar mit Familienfoto)!
Broadway
- Me and my girl
Dass es
sich im Marriott-Marquis Hotel genüsslich verweilen lässt,
hatten wir schon. Dass sich dort aber auch ein Broadway-Theater
befindet, haben wir Ihnen bislang vorenthalten. Als wir -
dieses Mal rechtzeitig, weil zu Fuß - am Times Square
ankommen, überkommt uns plötzlich das Gefühl,
hier heimisch zu sein. Irgendwie bringt dieser Platz das New
Yorker Lebensgefühl besonders rüber, vermittelt
er den Eindruck eines Zentrums dieser Stadt. Souverän
schlendern wir ins Foyer der Luxusherberge, mischen uns weltläufig
in das Gewusel von Hotelgästen, Theaterbesuchern, Neugierigen,
Passanten und was sonst noch alles hier unterwegs sein mag
und steuern auf das Basement mit den Aufzügen zu. Die
lautlosen, lichterumkränzten Glaskapseln gleiten mit
uns in den 3. Stock und wir tauchen lässig ein ins erwartungsfroh
plappernde Publikum. Eines fällt hier sofort auf: Zwar
geben sich alle durchaus elegant, aber ohne das durchgängig
teure Flair der Met; zwar präsentieren tief dekolltierte
Schönheiten ihre funkelnden Errungenschaften auf rosiger
Haut, verrenken sich Gaffer die Hälse und stolzieren
Galane zeitlosen Zuschnitts im Smoking durchs Foyer; doch
das untrügliche Gefühl: Das hast du doch schon mal
in Bottrop erlebt, macht sich unaufhaltsam breit. Trotzdem,
der Broadway ist unverzichtbar für alle NY-Touristen,
die leicht verdauliche Bühnenkost mögen. Die Art
und Weise, wie hier gespielt, getanzt, gesungen wird, ist
eben Weltklasse. Bedenkt man zudem, wie viele Jahre manches
Stück Abend für Abend auf dem Spielplan steht („A
chorus line“ brachte es auf stolze zwölf), so ist
der Normaltourist (es sei denn, er kommt aus London) schon
beeindruckt. In „Me and my girl“ schafft es der
männliche Hauptakteur (hier hat unser Notizbuch versagt,
den Namen dieses Entertainers müssen wir Ihnen deshalb
leider vorenthalten) doch tatsächlich jeden Abend, dem
Publikum die Lachtränen in die Augen zu treiben. Weniger
mit Worten - der Inhalt des Stücks ist eher platt - als
mit brillant dargebotener Situationskomik erobert er die Herzen
der Zuschauer. Tag für Tag, Vorstellung für Vorstellung
- bravo, Broadway! Und noch etwas ist hier anders als in der
Met, sympathischer, vertrauter. Hier lassen die Damen und
Herren Gäste ihrer Begeisterung freien Lauf. Hier wird
gejubelt, gefeiert, gepfiffen, gejohlt. Standing Ovations
für den Star, zig Vorhänge für das Ensemble.
Keiner will nach Hause. Zugaben werden lautstark gefordert.
Wir halten mit, denn es hat wirklich Spaß gemacht.
Doch Achtung, lieber Leser, wenn du zu jenen Kulturkonsumenten
gehörst, für die nur Theater mit Tiefgang, Dramatik
und hohem intellektuellen Niveau in Frage kommt: Wer hier
hingeht, muss bereit sein, sich der leichten Muse hinzugeben,
darauf gefasst sein, Tränen zu lachen oder zu weinen.
Nur wer dies weiß und will, kann den Abend am Broadway
total genießen, ihn als ein gelungenes Erlebnis in Erinnerung
behalten!
Die
große Met
Wer kennt
schon Opernhäuser? Im Ernst, könnten Sie fünf
Originalnamen von Opernbühnen (natürlich weltweit
betrachtet) aufzählen? Spontan, ohne sich vorher schlau
gemacht zu haben? Die „Met“ (Metropolitan Opera)
wird - sofern Sie’s überhaupt zu Stande bringen
- bestimmt dazugehören. Und plötzlich ist unzweideutig
klar: Hier geht die Kulturpost ab! Im Foyer sind sie aufgelistet,
die Großen dieser Stadt, dieses Landes, dieser Welt.
Die Mäzene der Jetztzeit, die Giganten des Geldes. Was
es wohl gekostet haben mag, in Goldlettern auf marmornem Fries
verewigt zu werden? Sei’s drum. Wir haben keine Zeit
mehr, die Namen zu studieren. „Porgy and Bess“
wartet, wir eilen zu den Plätzen.
Der erste Eindruck vom Inneren ist ernüchternd. Irgendwie
entspricht er nicht unseren - zugegeben nebulösen - Vorstellungen.
Also quetschen wir uns in die Row G, Seat No. 16 and 17; versuchen
unsere Extremitäten so zu falten, dass sie - zumindest
kurzfristig - weder dem Vordermann im Nacken noch dem Nebenmann
auf dem Schoß landen, was sich für MitbürgerInnen
ab einssiebzig Körpergröße als ein ausgesprochen
schwieriges Unterfangen erweist. Mein Nachbar ist ca. 190
cm groß und 220 Kilo schwer; also richte ich mich nicht
nur darauf ein, seine gewaltigen Oberarme auf Tuchfühlung
ertragen zu müssen, sondern verzichte auch generös
auf die Nutzung der rechten Armlehne. Die nämlich wird
von der dritten Speckschicht seiner enormen Leibesfülle
beansprucht. Zum Glück ist Wolfgang Henn recht klein
von Statur und verzeiht mir die zwangsweise Annäherung.
Ich arrangiere mich, das Gershwinsche Spektakel kann beginnen!
Bei aller Enge: Die Architektur der Sitzreihen ist zumindest
so (steil), dass jeder Gast einwandfreie Sicht auf die Bühne
hat - und das ist wohl das Wichtigste. Kaum hat sich der Vorhang
gehoben, packt uns das Met-Gefühl. Myra Merritt summt
„Summertime“; vergessen ist der Jam der Anreise,
unwichtig die Enge der Sitzreihen, verdrängt der stark
transpirierende Dicke nebenan. Das Bühnenbild ist zwar
konservativ, aber toll gemacht, die Darstellung über
jede Kritik erhaben, das Erlebnis - zumindest künstlerisch
- ungetrübt. Sicher werden Sie nicht erwarten, dass wir
Ihnen jetzt die Handlung nacherzählen. Eine Aufführung
in der Met ist eben kaum mit Worten zu beschreiben, hier hilft
nur selbst erleben. Pause! „People looking“ in
der Met! Flanieren, defilieren, lächeln, ange (oder be-?)lächelt
werden, genießen, smalltalken; uns würde interessieren,
ob die Mehrheit der illustren Gäste die Oper sehen oder
in der Pause gesehen werden will; und wer ist hier ein echter
NYer, wer ist Voyeur? „ An den Klunkern sollt ihr sie
erkennen!“ Unmöglich, Geschmeide, feines Tuch und
Seide tragen hier alle. Jeanslook, wie er in mancher Nobel-Oper
unserer Breiten bisweilen vorgeführt wird - unmöglich!
Schlichte Kostüme - no! In NY hat man Geld, zeigt man
Geld und gibt Geld aus - erst recht in der Met. Ende der Pause.
Die „Catfish Row“ hat uns wieder, Sporting Life
singt „It ain’t necessarily so“, Crown trachtet
Porgy nach dem Leben, Clara lässt noch einmal Summertime
erklingen ... Emotion satt. Ende. Vorhang! Rauschender Beifall.
Vorhang! Zaghafter Applaus. Ende.
Wir sind konsterniert. Nach solch einer Vorstellung nur ein
Vorhang? Nach dieser Darbietung nur so knapper Applaus? Wir
werden aus den Reihen geschoben. Hektisches Gedränge
macht sich breit. Alles hastet gen Garderobe, Ausgang, Lincoln
Center, und plötzlich hat uns die Realität wieder.
Natürlich! Der Verkehr! Der Jam! Die Taxis! Wir mussten
es prompt büßen, dass wir uns von der hektischen
Betriebsamkeit nicht anstecken lassen wollten. Es dauerte
34 Minuten und 8 Querstraßen zu Fuß, bis wir uns
- unter heftigen Flüchen und Protesten anderer Bewerber
diverser Nationalitäten - ein Cab erstritten.
Insider-Tip No. 7 - Lassen Sie nach dem letzten Akkord alles
liegen und stehen; vergessen Sie das Pavarotti-Autogramm (falls
der gerade gastieren sollte) für Tante Olga; hasten Sie
- falls notwendig - über die Garderobe zum Ausgang; eilen
Sie sofort zwei Querstraßen weiter und Sie haben eine
reelle Chance, ein Taxi zu erwischen. Alternative 2: Bestellen
Sie sich gleich eine der allerliebsten Limousinen, Marke Cadillac,
mit Fahrer, TV und Bar zum Opernende. Der Spaß kostet
Sie dann zwar mehr als die Karten für die Met, aber das
hat Stil, nimmt die Hektik und Sie können sich sofort
in das gewünschte Etablissement chauffieren lassen.
Alternative 3: Sie machen’s wie wir. Das ist zwar ausgesprochen
profan, aber durchaus erlebenswert!
|
|